Evidensia

Statthaftigkeit von Partnerschaftsgesellschaften zwischen Tierärzten und Betriebswirten
Statthaftigkeit von Partnerschaftsgesellschaften zwischen Tierärzten und Betriebswirten 768 1024Sven Jan Arndt

Zur Vorgeschichte:
Tierärztin Susanne Arndt betrieb drei Kleintierpraxen im Raum Karlsruhe in der üblichen Rechtsform für Freiberufler – der Einpersonengesellschaft. Mit zunehmenden Wachstum entstand der Wunsch, diese in eine GmbH umzuwandeln. Das Umwandlungsgesetz setzt hierzu aber eine eingetragene Rechtsform voraus (und sei es nur ein eingetragener Kaufmann). Letzterer ist für einen Freiberufler aber nicht möglich, da dieser kein Kaufmann ist. Ergo blieb der Weg über die Gründung einer Partnerschaftsgesellschaft – bestehend aus Freiberuflern (hier: Tierärztin und Betriebswirt). Die Gründung erfolgte und auch die Eintragung durch das AG Mannheim.

Der Fall:
Die Landestierärztekammer Baden-Württemberg beantragte aufgrund § 21a BO die Löschung dieser Gesellschaft, da nach ihrer Berufsordnung eine Partnerschaftsgesellschaft nur unter Tierärzten möglich sei. Parodoxerweise verwies sie zeitgleich die beiden Gesellschafter darauf, dass sie ihr Vorhaben doch in Form der GmbH umsetzen könnten!?

Der Beschluss des BGH vom 15.02.2022 – II ZB 6/21 – OLG Karlsruhe / AG Mannheim:
„Eine Partnerschaft zwischen einem Tierarzt und einem Betriebswirt ist nach dem Heilberufekammergesetz des Landes Baden-Württemberg zulässig.“

Die Begründungen des BGH:

Die Berufsordnung der LTK BW ist kein förmliches Landesgesetz, weswegen der BGH ohne Hinzuziehung des BVerfG entscheiden konnte.

§21a BO verstößt gegen den Vorrang des §30a Abs. 1 S.2 Heilberufe-Kammergesetzes Baden-Württemberg (im Folgenden: HBKG BW) wonach Tierärzte gem. §2 Abs. 1 Nr. 3 HBKG BW eine Praxis gemeinsam mit Personen führen können, die einen staatlichen Ausbildungsberuf im Gesundheitswesen, einem naturwissenschaftlichen oder einen sozialpädagogischen Beruf angehören.

Die durch das HBKG BW erlaubten interprofessionellen Zusammenschlüsse von Kammermitgliedern können durch das Satzungsrecht der Kammern nicht eingeengt werden.

Es liegen demnach auch keine Gemeinwohlbelange vor, die eine interprofessionelle Zusammenarbeit mit einem Betriebswirt ausschließen (u.a. wegen Art. 12 Abs. 1 GG – freie Berufsausübung aber auch §30a HBKG BW ist nicht abschließend zu verstehen)

Einer solchen Zusammenarbeit widerstrebt auch nicht dem Sinn und Zweck des HBKG BW, denn „die Definition der erlaubten Formen der Berufsausübung solle sicherstellen, dass die Einhaltung der Berufspflichten bei heilberuflichen Tätigkeiten in allen rechtlichen Gestaltungsformen durchgesetzt werden könne.“

An dieser Stelle wird die Urteilsbegründung aber spannend, denn weiter heißt es dort:

„Der Gesetzgeber wollte damit eine gewerbliche heilberufliche Tätigkeit grundsätzlich ausschließen. Gewerblich tätig sind Personenhandelsgesellschaften und juristische Personen, nicht aber die Angehörigen freier Berufe… zu denen ein Betriebswirt… zählt. Nur für die heilberufliche Tätigkeit in juristischen Personen hat der Gesetzgeber in § 30a Abs. 2 HBKG BW deshalb detaillierte Voraussetzungen aufgestellt, um eine gewerbliche heilberufliche Tätigkeit auszuschließen.“

Und das ist ganz besonders spannend, wenn man sich diesen Paragraphen mal genauer anschaut:

§ 30a (2) HBKG BW:
Die heilberufliche Tätigkeit für eine juristische Person des Privatrechts setzt voraus, dass

  1. Gegenstand des Unternehmens die ausschließliche Wahrnehmung heilberuflicher Tätigkeiten ist,

2. alle Gesellschafterinnen und Gesellschafter Personen nach Absatz 1 Satz 2 sind,

3. die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und der Stimmrechte Kammermitgliedern gemäß § 2 Absatz 1 Nummern 1 bis 3 oder Nummer 5 zusteht und Gesellschaftsanteile nicht für Rechnung Dritter gehalten werden,

4. mindestens die Hälfte der zur Geschäftsführung befugten Personen Kammermitglieder gemäß § 2 Absatz 1 Nummern 1 bis 3 oder Nummer 5 sind,

5. ein Dritter am Gewinn der Gesellschaft nicht beteiligt ist,

6. eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung für die juristische Person des Privatrechts und die dort tätigen Berufsangehörigen besteht und

7. gewährleistet ist, dass die heilberufliche Tätigkeit von den Kammermitgliedern gemäß § 2 Absatz 1 Nummern 1 bis 3 oder Nummer 5 eigenverantwortlich, unabhängig und nicht gewerblich ausgeübt wird.

Das Nähere regelt die jeweilige Berufsordnung.

Wenn man nun diesem Passus des HBKG BW folgt, auf den der BGH explizit rekuriert – was bedeutet dies nun für Ketten wie Evidensia oder Anicura in Baden-Württemberg? Müsste hier nicht die Landestierärztekammer Baden-Württemberg sofort einschreiten und diese verbieten?

Weiter sind äußerst interessant die Ausführungen des BGH zum Thema Verschwiegenheitspflicht des Tierarztes:

„Schließlich besitzt ein Tierarzt (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 HBKG BW) – anders als die weiter von § 30a Abs.1 Satz 2 erfassten Kammermitglieder … kein Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO. Im Gegensatz zu den weiteren Kammermitgliedern … besteht bei einem Tierarzt kein besonderes Vertrauensverhältnis zu seinem Auftraggeber, welches die Wahrung schutzwürdiger Geheimhaltungsbelange umfasst und verlangt (vgl. BVerfGE 38, 312, 323 f.).“

Fazit aus unserer Sicht:

  • Nicht alles was Landestierärztekammern in ihren Berufsordnungen schreiben ist unantastbar.
  • Die Landestierärztekammer Baden-Württemberg hat mit dem eindeutigen Hinweis auf § 30a Abs.2 HBKG BW einen eindeutigen Auftrag die hiesigen von Finanzinvestoren betriebenen Ketten zu überprüfen und entsprechend einzuschreiten bekommen.
  • Wir sind gespannt, ob dies geschehen wird und somit Rechtssicherheit gewährleistet!
Finanzinvestoren und der Trend zur Tierarztkette
Finanzinvestoren und der Trend zur Tierarztkette 681 1024Sven Jan Arndt

1. Aktueller Trend

Erst Anfang Juni hat die spektakuläre Übernahme der größten deutschen Tierarztkette Anicura durch Mars Petcare für Aufsehen gesorgt (wir hatten berichtet: https://doc4pets.de/anicura-schliesst-sich-mars-petcare-an/). Nun eine neue „Kette“ – Vetsana?

Und schon stehen die nächsten Finanzinvestoren in den Startlöchern und versprechen den verkaufenden und übernehmenden Tierärzten das „blaue vom Himmel“. Aktuell bspw. die Vetsana GmbH (schöner Name – klingt doch sehr seriös und nach Tierarzt) aus München macht sich auf den Weg. Sie seien langfristig engagiert (10-15 Jahre) und alles Unternehmer. Sie fiel uns auf, da sie mit recht großem Marketingaufwand im Grünen Heinrich und bei Wir-sind-Tierarzt.de als Werbepartner auftreten.

Man sei im Gegensatz zu den großen Ketten die Lieben. Jeder könne sich als junger Tierarzt frei entfalten. Der abgebende Tierarzt weiß sein Geschäft in guten Händen. Etc. etc.

Sie wollen aber immer schon gern die Mehrheit, wenn sie eine Praxis übernehmen – Zitat:  Ja, typischerweise übernehmen wir eine Mehrheitsbeteiligung an der Praxis. Wir sehen es sehr gerne, wenn sich die geschäftsführenden Tierärzte an der eigenen Praxis als Gesellschafter signifikant beteiligen. Das ist kein Muss aber ein Kann. Die Größenordnungen sind in diesem Rahmen flexibel.“

2. Vetsana – ein neues Konzept?

Schauen wir mal hinter dieses neue Konstrukt, was alles besser machen möchte, als die anderen Ketten:

a) Es sind keine Tierärzte unter den Investoren – wie sollen da Skaleneffekte genutzt werden, die man angebeblich heben möchte: „Und ein Verbund hat natürlich weitere Vorteile, beispielsweise im Einkauf sowie in der Ausbildung und im Austausch von Knowhow.“ ?

b) Rechtlich steht dieses Konstrukt wie auch Evidensia und auch Anicura auf mehr als wackeligen, nationalen Beinen. Schreiben die Landestierärztekammern doch mehrheitlich vor, wer und mit welcher Mehrheit Tierärzte an einer Praxis beteiligt sein müssen. So sehr ausführlich die Landestierärztekammer Westfalen:

§ 28 Tierärztegesellschaft in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts

(1) Tierärztinnen/Tierärzten ist die Führung einer Einzelpraxis oder Praxis in Gemeinschaft in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts erlaubt. Voraussetzung zum Betreiben einer Gesellschaft in Form einer juristischen Person des Privatrechts ist: 1. Die Gesellschaft muss verantwortlich von einer/einem Tierärztin/Tierarzt geführt werden, 2. Geschäftsführer müssen mehrheitlich Tierärztinnen/Tierärzte sein, 3. Die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und der Stimmrechte müssen Tierärztinnen/Tierärzten zustehen oder aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelungen müssen die Befugnisse für Beschlüsse mit Bezug auf die Berufsordnung der 12 Tierärztekammer Westfalen-Lippe, das tierärztliche Standesrecht und sich aus dem geltenden Recht ergebende Rechte und Pflichten der Tierärzte unwiderruflich auf ein Gremium übertragen sein, in dem approbierte Tierärztinnen/Tierärzte über die Mehrheit der Stimmrechte verfügen. 4. jede/jeder in der Gesellschaft tätige Tierärztin/Tierarzt muss eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen haben; bei Partnerschaften mit beschränkter Berufshaftung ist vorrangig § 8 Absatz 4 des Gesetzes über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger freier Berufe zu beachten.“

Eigentlich ist es doch schon bemerkenswert, dass die Landestierärztekammern Berufsordnungen aufstellen, deren Durchsetzung aber nicht forcieren. Warum wohl nicht? Angst vor dem EU-Recht? Da fragt man sich als Normalbürger, wofür es dann Gesetze und Regeln gibt!?

c) Welche Tierarztpraxis hat Vetsana schon übernommen!?

d) Was für eine Rendite erwartet ein solcher Privatinvestor, wenn er sich so langfristig engagiert? Wer nach eigenem Bekunden erst nach 10-15 Jahren aussteigen möchte, der verlangt i.d.R. ein ordentliches Multiples vom Umsatz seines Verbundes. Sprich die zu übernehmenden Tierärzte müssen natürlich ihre Umsätze in dieser Zeit dramatisch steigern, damit ein ordentlicher Exit möglich wird. Da reden wir schon mal von 25-30% Umsatzsteigerung pro Jahr – sonst macht dies kein Sinn nach unserer Meinung für einen solchen „Privatinvestor“. Problematisch ist aus unserer Sicht dann die Perspektive von dem jungen Tierarzt, der 10 Jahre seinen Schweiß in die Praxis gesteckt hat, nur max. 49% besitzen konnte und nun an einen anderen Investor (bspw. Mars Petcare) verkauft wird, ohne dass er mitreden kann. Und wie wird es dann dort weitergehen? Darf er sich da wirklich weiter so entfalten, wie er möchte?

3. Ein Blick hinter die Kulissen

Schauen wir noch tiefer hinter die Kulissen, was die Redaktion von Wir-sind-Tierarzt.de ja nicht so genau getan zu haben scheint. Ist man sonst doch so stolz auf seine kritische Berichterstattung, scheint man die kritische Distanz schnell zu vergessen, wenn „der Rubel rollt“ – was fairerweise am Ende aber auch so kenntlich gemacht wurde: Offenlegung: VetSana ist für die Sommermonate 2018 Sponsoringpartner von wir-sind-tierarzt.de. Der Artikel entstand im Rahmen dieser Werbepartnerschaft – mehr über diese Form der Zusammenarbeit lesen Sie hier.“

Lt. Handelsregister sind an der Vetsana GmbH mit Herrn Ulrich Biffar (Schweiz) 63,1%, eine Fa. Pelecanus GmbH mit 26,76% und die Herren Florian Arndt mit 7,888% und Herr Uwe Bühler mit 2,252% beteiligt.Hinter der Pelecanus GmbH steht Herr Felix Hauser.

Herr Biffar, Herr Hauser und Herr Arndt sind allesamt zugleich in führenden Positionen (Geschäftsführer) bei der Lamont Capital GmbH – ebenfalls in München. Mit dieser Firma beteiligen sie sich nach eigenen Angaben an hochprofitablen Unternehmen: „Lamont Capital ist eine Gesellschaft mit Sitz in München, die sich auf die Beratung beim Erwerb und bei der laufenden Begleitung von mittelständischen Unternehmen konzentriert. Im Fokus der Investitionen stehen Mehrheitsbeteiligungen an Unternehmen im deutschsprachigen Raum mit einem Unternehmenswert zwischen 10 und 75 Mio. EUR, die nachhaltig und überdurchschnittlich profitabel sind.“

Jetzt stellt sich uns natürlich sofort die Frage – auf wievielen Hochzeiten kann man tanzen. Nicht so ein bisschen, sondern professionell? So, dass es auch der Tanzpartnerin Spaß macht und diese nicht lauter blaue Füße nach dem Tanz hat. 😉

Herr Ulrich Biffar war darüber hinaus Deutschlandchef des Finanzinvestors Bain Capital. Herr Arndt und Herr Hauser waren auch bei Bain Capital. Bain Capital ist dafür bekannt, dass sie nicht gerade zimperlich mit ihren Investments umgehen:

„Bain Capital wird vorgeworfen, verschiedene Unternehmen ausgebeutet und den anschließenden Bankrott verschuldet zu haben:

GS Technologies, eine Stahlhütte in Kansas City war seit 1888 in Betrieb. 1993 wurde sie von Bain mehrheitlich übernommen, kaum zehn Jahre später war das Unternehmen bankrott. 750 Menschen verloren einem Bericht des US-Fernsehsenders MSNBC zufolge damals ihre Jobs. Bain habe dagegen von dem Geschäft profitiert: Zwölf Millionen Dollar habe die Firma erlöst, zuvor allerdings nur acht Millionen Dollar investiert. Zusätzlich strich Bain offenbar mindestens 4,5 Millionen Dollar an Beratergebühren ein. [4][5]

1992 kaufte Bain Capital American Pad & Paper. 1999 wurden zwei Fabriken des Unternehmens geschlossen, 385 Arbeitsplätze gestrichen und das Unternehmen war mit 392 Mio. US$ verschuldet. 2000 erklärte das Unternehmen Insolvenz. [6] Die Boston Globe berichtete, dass Bain US$100 Mio. an Ampad verdiente, bei einer Investition von US$5 Mio., darunter mehrere Zehnmillionen in Managementgebühren. [7]

Bain Capital und Goldman Sachs kauften 1994 Dade International für ca. US$ 450 Mio. Ca. 900 Stellen wurden gestrichen oder ausgelagert. Im Verlauf der nächsten Jahre wurden weitere 1.000 Arbeiter entlassen, die Kreditschuld des Unternehmens vervierfachte sich. 2002 erklärte die Firma ihren Bankrott. [8][9]

1997 kaufte Bain Capital LIVE Entertainment für US$150 Mio. Im Anschluss wurde jeder vierte der 166 Mitarbeiter entlassen. [10] Bain Capital machte durch die Unternehmen Stage Stores, American Pad & Paper, GS Industries, Dade, and Details einen Profit von US$578 Mio., alle fünf Unternehmen gingen kurze Zeit später bankrott. [11]“

4. Ausblick

Ein Schelm wer jetzt bei den Sätzen aus besagtem – nennen wir es „Advertorial“ von Wir-sind-Tierarzt.de Böses denkt:

 VetSana ist von deutschen Unternehmern unter der Führung von Florian Arndt und mir gegründet worden. Wir investieren unser eigenes Geld. Dahinter steckt kein Investmentfond oder eine andere Form von Venture Capital und auch keine anderes Unternehmen aus dem Tiermedizinsektor.
Wir sind Privatanleger und wir haben einen langfristigen Anlagehorizont. Wir sehen, dass als 10 bis 15 Jahres Projekt. Erst dann wird sich unser Einsatz und unsere Investition rechnen. Wir wollen dazu eine langfristige und nachhaltige Partnerschaft mit unseren Tierärztinnen und Tierärzten aufbauen.“

Man gut, dass es jetzt endlich eine „gute Tierarztkette“ geben wird…